Das Seminar ist zweiteilig: Der erste Teil besteht in der Teilnahme an der Tagung „Protestantische Individualitätskulturen. Zwischen Innerlichkeit und Institution“, die am 18. und 19. September 2015 an der LEUCOREA in Wittenberg stattfindet. Der zweite Teil ist ein Seminarblock im Umfang von 5 Doppelstunden, in denen das Tagungsgeschehen durch Lektüren vertieft und aufkommende Fragen besprochen werden. Einzelheiten zu beiden Seminarteilen werden in der Vorbesprechung am Dienstag, den 7. Juli 2015, 13.00Uhr, Haus 25 Parterre (Büro Senkel) erörtert.
Zum Inhalt: Die landläufigen Vorstellungen zum Verhältnis von Protestantismus und Individualität laufen auf eine zu einfache Alternative hinaus. Entweder wird eine Katastrophengeschichte des modernen Individualismus auf Fehlentwicklungen der liberalen Theologie zurückgeführt oder aber es wird eine Siegergeschichte des modernen Individuums auf die Entstehung des Protestantismus projiziert. Tatsächlich wirken in modernen Individualitätskonzepten drei protestantische Impulse nach. Mit der Reformation kommt die Gottunmittelbarkeit des einzelnen Menschen zum Zuge: Gewissen lassen sich nicht zwingen und die Seelen nicht mit Eisen regieren. So entsteht die sogen. Innerlichkeit des Glaubens. Sie ist in der Reformationszeit bis zum zweite Impuls ohne Institutionen unvorstellbar. Die Entstehung der Konfessionskirchen wird von der institutionskritischen Frage nach dem Wahren Christentum begleitet. Pietismus und Aufklärung fragen im Zeichen alternativer Geselligkeit nach der Individualität des Glaubens. Nun entsteht im Protestantismus eine optimistische Einstellung zur Individualität, die in der Lebenspraxis fassbar wird – in Recht, Ethik und Ästhetik. In freien Aneignungen des Glaubens verkörpert sich dieser dritte Impuls, der im evangelischen Christentum bis heute unterschiedlich bewertet wird und verschiedene Kirchenmodelle beinhaltet. Ziel des Seminars sind Nachvollzug und Erörterung der drei genannten Impulse.