MLU
Seminar: (LA-F) Pyrates! Geschichtsdidaktische Zugänge zu einem vernachlässigten Themenkomplex - Details
Sie sind nicht in Stud.IP angemeldet.

Allgemeine Informationen

Veranstaltungsname Seminar: (LA-F) Pyrates! Geschichtsdidaktische Zugänge zu einem vernachlässigten Themenkomplex
Semester WS 2018/19
Aktuelle Anzahl der Teilnehmenden 4
maximale Teilnehmendenanzahl 20
Heimat-Einrichtung Leitung des Instituts für Geschichte
Veranstaltungstyp Seminar in der Kategorie Offizielle Lehrveranstaltungen
Erster Termin Freitag, 19.10.2018 14:00 - 16:00
Teilnehmende Die Teilnehmer befinden sich am Ende ihres Lehramtsstudiums Geschichte bzw. kurz vor dem Ersten Staatsexamen und haben in der GD sowohl das Basis- als auch das Praxismodul und mindestens eins der beiden Schulpraktika absolviert. Ohne eine gewisse praktische Vorerfahrung mit dem Unterrichten von Geschichte, sollte man an der Veranstaltung nicht teilnehmen, denn damit würde man den Lernfortschritt der Seminargruppe behindern!
Voraussetzungen Basismodul GD: CHECK!
Praxismodul GD: CHECK!
mindestens SP I: CHECK! (Das SP I kann NICHT durch das allgemeinpädagogische Praktikum ersetzt werden!)
Die Litaratur ist teils englisch-, teils deutschsprachig. Deshalb ist die Bereitschaft und das Vermögen englische Literatur zu lesen und zu verstehen ebenfalls Voraussetzung für die Teilnahme!
Lernorganisation Der einleitende historische Orientierungsteil basiert auf der vorbereitenden Lektüre von Texten und findet im lehrerzentrierten UG statt.
Die Referate, die jeweils anwendungsorientierte Anteile enthalten sollen, die zur Aktivierung der Seminargruppe beitragen sollen haben eher den Charakter von Workshops.
Leistungsnachweis - regelmäßige, möglichst lückenlose Anwesenheit in und aktive Beteiligung an den Seminarsitzungen. Ordentliche häusliche Lektürevorbereitung.
- Vorbereitung und Halten eines powerpointgestützten Referats (allein, in Partner- oder Gruppenarbeit - je nach Anzahl der TeilnehmerInnen) mit einem praktischen Anteil zur gezielten Aktivierung der gesamten Seminargruppe.
- mündliche Prüfung von dreißig Minuten Länge, bestehend aus drei Teilen:
a) einer powerpointgestützten Kurzpräsentation zu einem selbstgewählten, vorher verabredeten Schwerpunkt innerhalb des Referatsthemas.
b) einer 10minütigen "Mini-Disputatio" zum Gegenstand, der Methode und der Fachdidaktik der Kurzpräsentation.
c) einem 10minütigen Prüfungsgespräch zum Inhalt der im Seminar gelesenen Texte ("Points of Usage").
Studiengänge (für) LAG
LAS
LAF
SWS 2
Sonstiges Der Eintrag zum Einsatz elektronischer und multimedialer Lehr-Lernformen war voreingetragen und ließ sich leider nicht löschen. Darum klipp und klar: In diesem Seminar gibt es weder Videoaufzeichnungen noch E-Klausuren! Nur damit jeder klar sieht!

Themen

Einführungssitzung: Aufbau, Scheinkriterien, Referatthemen usw., Piraterie als ubiquitäres historisches Phänomen, Piraterie in der Antike: Das Mittelmeer als Konfliktort zwischen Imperien und der Peripherie., Piraterie im Mittelalter: Barbaresken und Liekedeeler, Piraterie in der frühen Neuzeit ("The Golden Age of Piracy"), Piraterie in der Gegenwart: Ein hausgemachtes Problem der ersten Welt?, Piraterie als Staatsräson? Von Kaperbriefen, Korsaren und den "Politics of Terror". (Referat Richling), Generaldebatte und Prüfungsvorbereitung, R 1: Brethren of the Coast? Piratische Selbst- und Fremdwahrnehmungen, R 6: Vom Erzpiraten zum Piratenjäger: Sir (!) Henry Morgans fulminanter Aufstieg, R 7: Der piratische Archetyp: Edward Teach alias "Blackbeard" und die "Queen Anne's Revenge", R 2: Wer und warum wird man Pirat? Zur Sozialgeschichte der Piraterie im Golden Age, R 5: PiratINNEN(!): Granuaile, Zheng Yisao und die Dreiecksgeschichte zwischen Mary Reid, Anne Bonney und "Calico" Jack Rackham, R 3: Die Erfinder von Basisdemokratie und Sozialverischerung? Die Articles of Agreement als Quasi-Verfassung piratischen Zusammenlebens in der Karibik, R 4: Verlagerung der Piraterie aus der Karibik in den inidschen Ozean - eine Globalisierung der Piraterie?

Modulzuordnungen

Kommentar/Beschreibung

Piraterie ist ein ubiquitäres soziales Phänomen, das die Menschheit seit dem Beginn der schriftli-chen Überlieferung bis auf den heutigen Tag nicht nur begleitet hat, sondern immer wieder zu ei-nem mit enormem Aufwand betriebenen Abwehrkampf herausgefordert hat. Damit nicht genug weisen Piraten seit den Tagen, an denen kilikische Piraten 75/74 v. Chr. Julius Cäsar entführten und ihn erst gegen Zahlung eines Lösegelds wieder auf freien Fuß setzten bis zu den modernen somali-schen Piraten der Gegenwart am Horn von Afrika gewisse Gemeinsamkeiten auf: Bei den Herkunft-sorten von Piraten handelt es sich in aller Regel um sozial randständige Regionen, die an dem Wohlstand, der durch internationalen Handel mehr oder weniger vor ihrer Haustür generiert wird, mit gewaltsamen Mitteln partizipieren wollen. Piraten sind also Menschen, die die „natürliche“ Verteilung von Wohlstand nicht akzeptieren wollen. Deshalb haftet ihnen durch die Jahrhunderte eine fast protosozialistisch zu nennende romantische Grundhaltung an, die sich in Selbstbezeich-nungen wie „Liekedeeler“ (d.h. „Gleichteiler“) oder „Brethren oft he Coast“ niederschlug und die zu einer romantisierten Darstellung in der Populärkultur der Gegenwart führte: Ob der „rote Kosar“ (Burt Lancaster) oder „Captain Jack Sparrow“ (Johnny Depp) – Piraten werden von Hollywood (und nicht nur dort!) gerne als eine Art „Robin Hood“ repräsentiert. Zum Teil stimmt das auch – etwa wenn man die „articles of agreement“ karibischer Bukaniere als die Vorläufer des modernen Sozi-alversicherungssystems liest oder wenn man die trotzigen letzten Worte so manches Piraten vor seiner Hinrichtung am Galgen in Boston oder Providence auf den Bahamas liest, die oft beklagten, dass sie nie zur Piraterie gekommen wären, wenn die Kapitäne der jeweiligen Handelsmarinen sie nicht so schlecht behandelt hätten und ihnen vernünftige Essensrationen hätten zukommen lassen. Wesentlich überzeugender als diese Geschichtsbilder, der Selbstsicht von Piraten ist jedoch die Lesart von Marcus Rediker, der das Phänomen der Piraterie mit dem Aufeinandertreffen zweier Formen von Terror beschreibt: Dem Terror kolonialer Eliten und lokaler Autoritäten gegen die Pira-ten und ihre Rechtsverletzungen (gleichsam ein Terror „von oben“) und dem Terror der Piraten (als Pendant, als Terror „von unten“). Das macht auch heute noch Sinn, um moderne Piraterie zu ver-stehen: Wen wundert es denn, wenn Fischer, denen internationale Fischereiflotten ihre Fanggrün-de leer gefischt haben, sich nach alternativen Einkommensquellen umschauen, sich ein paar Ka-laschnikows besorgen und mit ihren Fischerbotten statt auf die Jagd nach Fischen nun auf die Jagd nach internationalen Frachtern gehen, um ihre Familien durchzubringen? Das ist beileibe nicht der einzige Grund, um Piraten zumindest zum Teil auch als Opfer und nicht nur als Täter zu betrachten: Denn sie waren immer auch ein Spielball politischer Interessen und haben für andere ihren Kopf hingehalten: Als Kaperfahrer für konkurrierende Staaten, als verlängerter Arm und Privatarmee (im Englischen spricht man nicht umsonst von einer Praxis des „Privateering“, wenn man eigentlich Piraterie meint) kolonialer Konkurrenten usw. Auch das „Umdrehen“ von Piraten – man denke nur an den Piraten Henry Morgan, der zum stellvertretenden Gouverneur von Jamaika befördert wurde und anschließend auf Jagd nach seinen ehemaligen Kumpanen ging – zeigt deutlich: „Schwarz-Weiß-Denken“ und Piraterie passen eher nicht gut zusammen. Die niedrigen sozialen Hierarchien innerhalb der diversen Piratenorganisationen führten darüber hinaus zu einer beachtlichen Rolle der Frauen: Die „Dreiecks“-Geschichte von „Calico Jack“ Rackham, Anne Bonny und Mary Reid ist mittlerweile ziemlich bekannt und auch von Sir Francis Drake, dem Freibeuter der englischen Köni-gin Elisabeth I., dürfte jeder schon mal gehört haben. Was aber ist mit der Piratenkönigin Grace O’Malley von Connachts wilder Westküste, die als „Granuaile“ und sich auf Augenhöhe befindliche Gegenspielerin der „Virgin Queen“ Elisabeth bis heute in Irland einen fast mythischen Ruf genießt? Und was ist mit der chinesischen Herrin der sechs Flotten, Zheng Yinsao, die am Anfang des 19. Jahrhunderts rund 1.800 Piraten unter ihrer Leitung vereinte (Beiname: „Geissel der östlichen Mee-re“)? Klar, ist Piraterie – wie so ziemlich jedes mit Krieg verbundene Thema – stark „männerlastig“, aber das hier ausschließlich Männer eine Rolle gespielt hätten, das stimmt so nicht.
Das dürfte wohl ausreichen, um exemplarisch die historische Relevanz des Themas „Piraten“ nach-zuweisen. Aber wozu soll das Thema in einem geschichtsdidaktischen Seminar behandelt werden, wo in den Richtlinien des Fachs Geschichte Piraterie – vorsichtig ausgedrückt – eher eine unterge-ordnete Rolle spielt? Ich finde, es gibt da einige recht überzeugende Argumente:
1. Piraterie ist ein klassisches Längsschnittthema, denn sie ist in allen Epochen quellenmäßig breit überliefert: In der Antike von den sog. Seevölkern bis zu den kilikischen Piraten, mit deren Vernichtung Gn. Pompeius, sich seine Sporen als militärischer Oberbefehlshaber verdiente, im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit von muslimischen Korsaren der Bar-baresken in Nordafrika (Khair ad-Din Barbarossa 1467/1475-1546, Beiname: „Schrecken der christlichen Seefahrt“) sowie den Vitalienbrüdern unter Klaus Störtebecker und Gödecke Michels in Ost- und Nordsee im 15. Jahrhundert (Motto: „Gottes Freund und aller Welt Feind.“). Die kroatisch-dalmatinischen Uskoken, die Venetianer und Osmanen gleicherma-ßen zur Verzweiflung trieben, und die Wikinger, die auch gern unter der Rubrik „Piraten“ gehandelt werden, lassen wir bewusst mal außen vor!), die Piraten der Karibik vom 16. bis zum 18. Jh., die malaiischen und chinesischen, sowie die ostafrikanischen Seeräuber, die noch im 19. Jahrhundert und auch wieder aktuell aktiv sind usw. usf.
2. Piraterie liegt am Schnittpunkt von Kriminalität und halboffiziellem Kaperwesen und ist in-sofern eng mit Kolonialismus und Imperialismus, ja selbst mit dem berüchtigten Dreiecks-handel (also auch mit Sklaverei!) verbunden. Im ersten Weltkrieg spielen sogar so schillern-de Gestalten wie Felix Graf Luckner eine Rolle! Man bekommt also über das Thema „Pirate-rie“ breiten Zugang zu Themen, die in den Lehrplänen sehr wohl eine Rolle spielen.
3. Das Thema ist sozialgeschichtlich hoch spannend: Aus welchen Schichten rekrutierten sich Kapitäne und Crews? Wie organisierten und regelten sie ihr Zusammenleben auf See und an Land? Wie funktionierte eine solche Gruppe von „social outcasts“?
4. Auch die Perspektivität ist bei dem Thema von zentraler Bedeutung: Wie nahmen Piraten sich selbst wahr, wie wurden sie von ihren Gegnern wahrgenommen? Wie beurteilten und begründeten bzw. kritisierten beide Seiten die Legitimität piratischen Handelns?
5. Es gibt die üblichen Quellenprobleme, aber auch aus geschlechterhistorischer bzw. frauen-historischer Perspektive scheint das Thema Potential zu haben.
Trotz der Bedeutung dieses Themas wird man eine Behandlung im „normalen“ Geschichtsun-terricht vermutlich weniger umsetzen können. Das ist also etwas für Projektarbeit in Projektwochen oder für Geschichts-AGs. Deshalb ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema aber nicht weniger sinnvoll – zumal es hier ganz offensichtliche geschichtskulturelle Bezugspunkte zum Leben der SuS gibt. Unter Piraten kann sich jeder Schüler etwas vorstellen, eine gewisse Motivation wird man also voraussetzen können.

Anmelderegeln

Diese Veranstaltung gehört zum Anmeldeset "Beschränkte Teilnehmeranzahl: (LA-F) Pyrates! Geschichtsdidaktische Zugänge zu einem vernachlässigten Themenkomplex".
Erzeugt durch Migration 128 08:37:16 08/21/18
Folgende Regeln gelten für die Anmeldung:
  • Es wird eine festgelegte Anzahl von Plätzen in den Veranstaltungen verteilt.
    Die Plätze werden in der Reihenfolge der Anmeldung vergeben.
  • Die Anmeldung ist möglich von 24.09.2018, 15:00 bis 19.10.2018, 23:59.