Das neuzeitliche deutsche Judentum ist, wie Hannah Arendt sagte, ein "einzigartiges Phänomen". Allerdings bestehen sehr unterschiedliche Narrative über diese Epoche: Martin Buber sprach (bis 1939) von einer deutsch-jüdischen Symbiose, andererseits prägte Gershom Scholem im Jahr 1966 das Wort von der "einseitigen Liebesaffäre der Juden mit den Deutschen". Aber die Beziehung zwischen beiden Völkern war nach 1945 nicht zu Ende, sondern entwickelte sich weiter - man kann vielleicht sogar sagen, dass sich diese Beziehung momentan intensiviert. Wie ist es möglich, dass es für diese Beziehung so gegensätzliche Bewertungen gibt? Wie kann diese Beziehung gleichzeitig als Emanzipation und Assimilation, aber auch als "ein Schrei ins Leere" bezeichnet werden? Es ist deutlich, dass diese Beziehung komplex und ambivalent ist.
Das Seminar möchte klären helfen, wie es zu diesen - durchaus widersprüchlichen - Charakterisierungen des deutsch-jüdischen Verhältnisses gekommen ist. Was bedeutet die gleichzeitige Existenz dieser widersprüchlichen bis gegensätzlichen Charakterisierungen für die Eigenart der deutsch-jüdischen Beziehungen? Insbesondere soll auf die Frage eingegangen werden, wie sich Jüdinnen und Juden im heutigen Deutschland selber auf dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit und der etwa dreihundertjährigen, modernen deutsch-jüdischen Geschichte sehen.
Literatur:
Hannah Arendt, The Jew as Pariah. Jewish Identity and Politics in the Modern Age, Hg. Ron H. Feldman, New York 1978
Leslie Morris, Jack Zipes, Unlikely History. The Changing German-Jewish Symbiosis, 1945-2000, New York 2002
Jehuda Reinharz and Walter Schatzberg, The Jewish Response to German Culture. From Enlightenment to The Second World War, Hanover and London 1985
