„Das schnellste Pferd kann ein im Zorn gesprochenes Wort nicht einholen“ – so die aphoristische Beschreibung einer gefühlssprachlichen Extremsituation. Die literarische Darstellung des Themenfeldes Zorn und Wut äußert sich nicht nur auf der Inhaltsebene in zugespitzten Situationsmotiven, sondern immer auch in einer besonderen Sprachlichkeit. Deshalb geraten Zorn und Wut mitunter ins Zentrum poetologischer Positionierungen, wie prominent bei Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek geschehen.
Die Beschäftigung mit Gefühlen in der Literatur verleitet zu der vorschnellen Annahme, dass es sich um die Darstellung des Menschlich-Allzumenschlichen, um eine anthropologische Konstante handele. Gerade literaturgeschichtliche Zugänge können zeigen, dass nicht nur die sprachlichen Ausdrucksformen, sondern auch die diesen zugrundeliegenden Vorstellungen von Zorn und Wut kulturell disponiert sind.
Das Seminar setzt bei mythologischen und biblischen Texten an und konzentriert sich auf folgende Beispiele der Literatur des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart: Kleist, Michael Kohlhaas (1810); Keller, Pankraz der Schmoller (1856); Vischer, Auch einer (1879); Trakl, Grodeck (1914); Bernhard, Die Macht der Gewohnheit (1974); Jelinek: Die Ausgesperrten (1980); Manesse: Lässliche Tod¬sün¬den. Zorn (2009). Die thematologische Untersuchung dieser Textauswahl bezieht auch theolo¬gische, philosophische, psychologische ebenso wie medizinische und juristische Diskurse mit ein. Im Zentrum steht dabei die Frage nach dem Verhältnis von Macht und Ohnmacht sowie von Leiblichkeit und Sprachlichkeit.
Teilnahmebedingung ist uneingeschränkte Lektüresicherheit (die im Zweifelsfalle überprüft wird!) und die Übernahme eines thesenorientierten Impulsreferates. Aktuelle Forschungsliteratur: Johannes F. Lehmann, Im Abgrund der Wut. Zur Kultur- und Literaturgeschichte des Zorns, Würzburg 2012. Bozena Anna Badura u. Kathrin Weber (Hg.), Ira - Wut und Zorn in Kultur und Literatur, Gießen 2013.
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