Das Wissen von der Welt ist an verschiedene Kodierungen, Formen und Medien gebunden, die sozial und material geprägt sind. Wissen und Gesellschaft konstituieren sich gegenseitig, ohne dass die eine die andere Seite determiniert. Wissen kann immer nur, auch wenn es sich zwischendurch im Kopf eines einzelnen Menschen herauskristallisiert, kollektives Wissen sein, sofern es an Kodierungen, Formen und Medien gebunden ist, die wiederum kollektive Phänomene sind und Kommunikation ermöglichen (wie etwa Sprache). Sowohl Wissen als auch Gesellschaft kommen indes nur als Praktiken und nicht als Gegenstände vor, so dass es passender wäre, von Praktiken des Wissens und Praktiken der Vergesellschaftung (der Herstellung von Bindungen) zu sprechen. Freilich gibt es in Gesellschaften mit Schrift und bestimmten Infrastrukturen vergegenständlichte Wissensbestände, die etwa in einem Lexikon oder Archiv materiell festgehalten werden, doch solange niemand etwas damit anfängt, bleibt der Wissensbestand in einer Art Winterschlaf. Die Kodierungen, Formen und Medien, die den Praktiken des Wissens als Bedingung der Möglichkeit dienen, lassen sich wiederum nach den Schemata unterscheiden, mit denen die Welt beobachtet und interpretiert wird. Das Alltagswissen bzw. der gesunde Menschenverstand (common sense) beobachtet die Welt anders, als etwa religiöses Wissen und anders als wissenschaftliches Wissen. In diesem einführenden Seminar werden die Unterschiede, Übergänge und Unüberbrückbarkeiten dieser drei Beobachtungschemata untersucht und anhand empirischer Beispiele aus unterschiedlichen historischen Epochen und diversen Gegenden der Welt illustriert.