Die Historische Musikwissenschaft hat im Zuge ihrer ‚kulturellen Wende‘ und ihrer zunehmenden inter- und intradisziplinären Öffnung eine enorme Diversifizierung ihrer Forschungsbereiche erfahren. Weder ist sie heute durch eine einheitliche Methodologie gekennzeichnet, noch ließe sich in Anbetracht der „potentiellen Unendlichkeit [ihres] Gegenstands“ (F. Hentschel) eine sinnvolle Eingrenzung ihres Zuständigkeitsbereichs oder ihrer Erkenntnisinteressen vornehmen. Nichtsdestotrotz zeichnet sich in den anhaltenden Debatten um ihre fachliche Ausrichtung eine Reihe historiographischer Problemstellungen ab, die die Historische Musikwissenschaft seit ihrer Institutionalisierung begleitet haben und deren je unterschiedliche Lösungen die Vielfalt der Forschungsperspektiven bis in die Gegenwart prägen.
In diesem Seminar werden wir uns dem ‚weiten Feld‘ der Historischen Musikwissenschaft aus der Perspektive eben dieser Problemstellungen nähern: Ausgehend von einem Überblick über die Fachgeschichte werden wir ausgewählte Zugänge der Historischen Musikwissenschaft zu ihren Forschungsgegenständen kennenlernen und im Spannungsfeld von Formalismus und Hermeneutik, Werturteil und Kanonkritik, Ästhetik und Historik, Ereignis- und Strukturgeschichte verorten und diskutieren. Im Hintergrund stehen dabei immer die Fragen, warum wir uns mit der Musikgeschichte auseinandersetzen und welche Formen diese Auseinandersetzung im Rahmen eines wissenschaftlichen Diskurses annehmen kann.