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Seminar: Vaterland: Zionismus und Italienischer Risorgimento - Details
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General information

Course name Seminar: Vaterland: Zionismus und Italienischer Risorgimento
Subtitle Religion und Kultur des Judentums
Semester SS 2011
Current number of participants 0
Home institute Jüdische Studien / Judaistik
Courses type Seminar in category Offizielle Lehrveranstaltungen
First date Thursday, 07.04.2011 10:15 - 11:45, Room: (Großer Berlin 14)
Studiengänge (für) Judaistik/Jüdische Studien Master
SWS 2

Rooms and times

(Großer Berlin 14)
Thursday: 10:15 - 11:45, weekly (14x)

Comment/Description

Ursprung und Erfolg des Zionismus werden in der Regel als Reaktion auf den modernen Antisemitismus betrachtet, der paradoxerweise durch das Fehlschlagen der Haskala, der jüdischen Aufklärungsbewegung, und der Emanzipation der Juden ausgelöst wurde. Doch der Zionismus, der das Wesen der jüdischen Identität durch nationalistische Anklänge re-definiert hat (Shimoni 1995, 269), ist auch tief in der jüdischen Aufklärung selbst verwurzelt. So wurden die Juden seit dem 18. Jahrhundert vom modernen Denken nicht bloß überwältigt, im Gegenteil, sie hatten Teil an der Moderne, indem sie sich dem modernen und wissenschaftlichen Denken öffneten, das die Haskala gebar. Das gleiche gilt für den Zionismus, der seine Ursache im modernen Konzept der aktiven Einbindung von Juden in den historischen Prozess und in die Nationalidee hatte, die im wesentlichen ein Ergebnis der Französischen Revolution ist und im Laufe des 19. Jahrhunderts in Deutschland umgeformt wurde, wie es Meinecke ausgedrückt hat (Meinecke 1962, 32). Auch wenn Einflüsse des deutschen Nationalismus auf den Zionismus unstrittig sind, da fast alle Begründer des Zionismus deutsch sprachen und meist in Mittel- und Osteuropa ausgebildet worden waren, werden die Einflüsse des italienischen Risorgimento und das italienische Konzept von Nation und Heimat offenbar stark unterbewertet. Es ist recht offensichtlich, dass die Vorgänger und Väter des Zionismus im 19. Jahrhundert das italienische Vorbild vor Augen hatten, wie im Fall von Jehuda Alkalai (Hertzberg 1997, 103-107) und natürlich von Moses Hess. Dessen Essay Rom und Jerusalem, die letzte Nationalitätsfrage stellt bereits im Titel fest, dass die jüdische Frage die letzte nationale Frage nach dem italienischen Risorgimento ist.
Das Erbe des französischen Konzepts der Nation hatte in der Tat überlebt und gerade italienische Liberale angezogen, die an der Herausbildung einer italienischen Nation arbeiteten. Die liberal-demokratische Perspektive, die von Giuseppe Mazzini entwickelt wurde, und die sozialistische Option einer Revolution, die von Carlo Pisacane angeregt worden war, hatten eine Niederlage erlitten. Die italienische Einheit war das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den durch Garibaldi repräsentierten Demokraten und den Liberalen um Cavour.
Eine solche Alternative muss eine gewaltige Anziehungskraft auf die zionistischen Vordenker ausgeübt haben, insbesondere auf Ahad Ha’am, den ideologischen Mentor des Zionismus, der die national-säkulare Erziehung der Juden gestaltete. Wie Giuseppe Mazzini in Italien, war er sich der Risiken bewusst, die ein unausgewogener Nationalismus birgt, wie auch der Gefährdung der Zukunft des zionistischen Unterfangens, falls es der von den Exzessen eines vom Deutschen inspirierten Nationalismus herrührenden Versuchung nachgäbe.
Das Projekt will jedoch nicht nur die ideologische Fragestellung betrachten, sondern auch die Nachwirkung des Translationsprozesses auf die gehobene wie Alltagskultur. Es soll also alle Elemente erforscht werden, die eine Begriffs- und Konzeptenwanderung erst möglich gemacht haben und die konkrete Anwendung in politisch-theoretischen wie literarischen Texten Niederschlag finden.

Halkin, Simon 1950. Modern Hebrew Literature: Trends and Values, New York: Schocken Books.
Halkin, Simon 1958. La littérature hébraïque moderne, ses tendances ses valeurs. Paris: PUF.
Hertzberg, Arthur (Hg) 1997. The Zionist Idea: A Historical Analysis and Reader, Philadelphia: The Jewish Publication Society.
Meinecke, Friedrich 1962. Weltbürgertum und Nationalstaat, hg. und eingel. von Herzfeld, Hans. München: R. Oldenbourg.
Shimoni, Gideon 1995. The Zionist Ideology, Hanover, NH & London: University Press of New England [for] Brandeis University Press.
Tramarollo, Giuseppe 1972. “Mazzini e Herzl”. In: Nuova Antologia 516 (1972): 322-333