Spanien hat am Aufbruch der historischen Avantgarden zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter dem besonderen Vorzeichen Anteil, als hier die Konfrontation mit der Modernität der bürgerlichen Gesellschaft von der latenten Erfahrung des nationalen Niedergangs und Identitätsverlustes überlagert wird. An Vorläufern aus Lateinamerika orientiert und für die Einflüsse aus europäischen Nachbarländern grundsätzlich offen, fällt der Impuls des Traditionsbruchs und der fundamentalen geistigen und künstlerischen Erneuerung gleichwohl auf fruchtbaren Boden. Zunächst dem Anspruch der rebellischen, dezidiert antimimetischen Provokation der verschiedenen „Ismos“ folgend, konvergieren die spanischen „Vanguardias“ namentlich in den 20er Jahren in der Kulmination des „movimiento surrealista“ und damit in einer ästhetischen Programmatik, die ihre prägende Kraft über die Jahrzehnte hinweg bis in die Postmoderne wahrt.
Mit der Konzentration auf ihre „Kernphase“ im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts sollen im Seminar die wesentlichen Entwicklungslinien der „Vanguardias“– und deren jeweilige Protagonisten – besprochen werden. Dabei wird insbesondere auch der Aspekt der intermedialen Verfasstheit des Phänomens zum Tragen kommen und insofern neben der Lyrik als einer zentralen Gattung ebenso bildkünstlerischen und filmischen Manifestationen ein Platz eingeräumt.