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Übung: Der "große Weise von Königsberg" - Nationalprotestantische Kantdeutungen um 1900 - Details
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Allgemeine Informationen

Veranstaltungsname Übung: Der "große Weise von Königsberg" - Nationalprotestantische Kantdeutungen um 1900
Semester SS 2021
Aktuelle Anzahl der Teilnehmenden 2
Heimat-Einrichtung Theologische Fakultät
Veranstaltungstyp Übung in der Kategorie Offizielle Lehrveranstaltungen
Erster Termin Mittwoch, 14.04.2021 13:00 - 14:30

Räume und Zeiten

Keine Raumangabe
Mittwoch: 13:00 - 14:30, wöchentlich

Modulzuordnungen

Kommentar/Beschreibung

Der Name „Kant“ ist in den letzten Monaten kontrovers diskutiert worden. Insbesondere die rassistischen, antisemitischen und frauenfeindlichen Passagen seiner Texte standen im Fokus; ein Terrain, das von der Kantforschung lange ignoriert worden ist.
Geht es daher um Kant, geht es auch immer um den Kontext, in dem seine Texte gelesen werden. Und kaum ein Kontext ist so nachhaltig prägend gewesen für den Umgang mit Kants Philosophie wie die Zeit um 1900. Nicht nur, dass sich in Halle mit den Kant-Studien und der Kant-Gesellschaft zwei bis heute maßgebliche Forschungsnetzwerke konstituierten, wurde auch die ebenfalls bis heute kanonisch geltende Ausgabe der Preußischen Akademie der Wissenschaften von Kants gesammelten Werken begründet.
In diesem Zusammenhang konstruierten nationalprotestantische Theologen und Philosophen das wirkmächtige Narrativ von Kant als eines genuin deutschen Philosophen des Protestantismus, dessen Aufklärungsansatz sich bis zu Luther zurückverfolgen lasse. Diese Konstruktion richtete sich vor allem gegen zwei Fronten: (1) gegen die Ansätze der renommierten jüdischen Kantforscher Hermann Cohen und Ernst Cassirer, deren Kantdeutungen als „fremdländisch“ und „undeutsch“ diffamiert wurden, und (2) gegen römisch-katholische und sozialdemokratische Autoren, denen man vorwarf, als Agenten des Auslandes einen Umsturz des preußisch-kleindeutschen Staates zu planen.
Autoren wie Bruno Bauch, Ernst Katzer, Julius Kaftan oder Friedrich Paulsen bezogen sich zur Stabilisierung dieser Konstruktion auf antijüdische und antirömische Aussagen bei Kant und reifizierten diese im Kontext um 1900. Gerade im Hinblick auf heutige Debatten lohnt daher der Blick zurück in die Quellen, in denen bis heute zitierte Lesarten der kantischen Philosophie konstituiert worden sind.
Wir wollen in der Übung zentrale Akteure der Zeit, aber auch Passagen aus Kants Werken, lesen und auf ihre (wissenschafts-)politischen Frontstellungen hin befragen.