In diesem Seminar beschäftigen wir uns mit der „Universitäts-Nervenklinik“ Halle (Saale) in dem Zeitraum zwischen 1919 und 1945. Die “Psychiatrische und Nervenklinik der Universität” in Halle an der Saale war eines von zwei psychiatrischen Großkrankenhäusern, welche im 20. Jahrhundert errichtet wurden. Anders als die “Heil- und Pflegeanstalt Nietleben”, die 1844 als moderne Einrichtung für die Unterbringung von “Heilbaren” und “Unheilbar” Kranken in einem Vorort gebaut wurde, war die “Universitäts-Nervenklinik” an die Universität der Stadt Halle angebunden. Psychiatrie und Nervenheilkunde waren zwei Forschungsfelder, die ab dem Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre gemeinsam beforscht und unterrichtet wurden. Gemein war ihnen das Konzept, dass das zentrale Nervensystem „Substrat für Erkrankungen“ darstellte. Zeitgenössisch wurde aber vor allem die Kürzung „Universitäts-Nervenklinik“ gebraucht. Der Leiter der „Universitäts-Nervenklinik“ war ebenso der Inhaber des Lehrstuhls für „Psychiatrie und Nervenheilkunde“ an der Martin-Luther-Universität Halle. Hier wurde nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit ausreichend finanziellen Mitteln geforscht. Die besten Psychiater gingen normalerweise an die Universitätspsychiatrie, sie war angesehener und finanziell besser ausgestattet. Zu einem Wissensaustausch zwischen „Anstalts- und Universitätspsychiatrie“ kam es kaum. Gleichzeitig wurde in der „Universitätspsychiatrie“ wenig praxisbezogen geforscht. Es wurden selten Forschungsvorhaben umgesetzt, die sich mit einer verbesserten Betreuung oder Behandlung der Patient:innen beschäftigte.
Mit dem Aufkommen der bürgerlichen Gesellschaft setzte sich die Prämisse von Psychiatrie als die Trennung der „Kranken“ von der „gesunden Gesellschaft“ durch. Psychiatrische Anstalten dienten vor allem auch dazu, Menschen, die nicht einer gesellschaftlich erwünschten Norm entsprachen, temporär oder dauerhaft zu beseitigen.
Wir wollen uns im Seminar vor allem auf die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus konzentrieren. Im Mittelpunkt des Seminars steht die intensive Beschäftigung mit der Quelle „Patient:innenakte“ und die Frage, inwiefern „Sexualität“ und „Geschlecht“ eine gewichtige Rolle in der Einweisung und Behandlung von Patient:innen gespielt hat.
Studierende, die am Seminar teilnehmen wollen, sollten bereit dafür sein, sich mit Anleitung intensiv mit den Patient:innenakten auseinanderzusetzen.
Zum Ende des Semesters soll außerdem ein Besuch im „Universitätsarchiv Halle“ stattfinden, in dem die Akten untergebracht sind.
Seminarleistung: Hausarbeit (10-15 Seiten)
Studienleistung: Gruppenreferat, Ergebnisprotokoll, kleinere schriftliche Ausarbeitungen über das Semester verteilt, Archivbesuch
Literaturangaben
Andreas Marneros, Valenka M. Dorsch, Philipp Gutmann, Frank Pillmann: Reil und seine Nachfolger. Zwei Jahrhunderte Universitätspsychiatrie am Geburtsort der „Psychiatrie“, 390 Seiten, Köln 2012, ISBN 978-3-931906-17-7
Degele, Nina. Gender/Queer Studies: Eine Einführung. 1. Aufl. utb.de Bachelor-Bibliothek 2986. Paderborn: Fink, 2008.
Beachy, Robert. “The German Invention of Homosexuality.” The Journal of Modern History 82, no. 4 (2010): 801–838. http://www.jstor.org/stable/10.1086/656077.
Anmelderegeln
Diese Veranstaltung gehört zum Anmeldeset "Beschränkte Teilnehmendenanzahl: [BA-VM/BA-S] [Seminar] Geschlecht-Sexualität-Psychatrie".
Folgende Regeln gelten für die Anmeldung:
Es wird eine festgelegte Anzahl von Plätzen in den Veranstaltungen verteilt.
Die Plätze werden in der Reihenfolge der Anmeldung vergeben.
Die Anmeldung ist möglich von 28.03.2022, 00:00 bis 08.04.2022, 23:59.
