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Seminar: BA: Formen jüdischer Schriftauslegung: Midrasch, Peshat- und hermeneutischer Schriftkommentar - Details
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General information

Course name Seminar: BA: Formen jüdischer Schriftauslegung: Midrasch, Peshat- und hermeneutischer Schriftkommentar
Course number OSW.05519.02
Semester WS 2020/21
Current number of participants 6
expected number of participants 10
Home institute Jüdische Studien / Judaistik
Courses type Seminar in category Offizielle Lehrveranstaltungen
First date Tuesday, 03.11.2020 10:30 - 12:00
Type/Form BA Modul: Jüdische Literatur
ECTS points 10 LP

Topics

Das Schriftverständnis und das Selbstverständnis der Rabbinen, Das zentrale hermeneutische Instrument der Rabbinen: Der Midrasch, Der hermeneutische Motor des Midrasch: Das Mashal, Der Midrasch zwischen Imagination, Intertextualität und Geschichte, Wie die Abgrenzung vom Christentum die rabbinische Hermeneutik des Midrasch veränderte., Intertextuelle Motiventwicklungen in den Literaturen des Midrasch, Ein neues Genre der Schriftauslegung: Peshat Schriftkommentar, Saadia Gaon und die Karaiten, Der Midrasch als Teil transkultureller Motiventwicklungen, (fällt aus), Der Peshat Schriftkommentar im Westen in eigener Genese: Peshat ohne Verzicht auf den Midrasch (Rashi und Rashbam), Abraham ibn Ezras exklusive Auffassung des peshuto shel miqra: Peshat verdrängt den Midrasch, Maimonides' esoterisches Modell der Verbindung von Peshat und Midrasch durch seine konzeptionelle Schriftauslegung, Nachmanides neue Verhältnisbestimmung von Peshat und Derasch eröffnet die kabbalistische Schriftauslegung, Sinnentleerung des Midrasch als schriftauslegendes Instrument durch Spinoza und neue Sinngebung durch Leopold Zunz, Kreative Bezugnahmen auf das Genre des Midrasch im 20. und 21. Jahrhundert innerhalb und außerhalb der Tradition

Rooms and times

No room preference
Tuesday: 10:30 - 12:00, weekly

Comment/Description

Auf die Frage, was der Kern der jüdischen Tradition sei, gibt es vermutlich keine zwei gleichlautenden Antworten. Was aber kaum jemand leugnen wird, ist die Tatsache, dass die jüdischen Traditionen ganz wesentlich durch literarische Formen geprägt wurden und werden. Um einen Zugang zu diesen zu erhalten, bedarf es daher spezifischer Fertigkeiten, um diese literarischen Formen sachgemäß zu „ent-schlüsseln“. Ohne ein Wissen um ihre Kompositionsprinzipien, bleibt ihr Argument im Verborgenen.
Das wichtigste und dem Judentum in besonderer Weise eigene Genre ist der Midrasch. Das Seminar wird daher zunächst in das Genre des Midrasch einführen, insbesondere in die Techniken seiner Komposition und damit in die Schlüssel seiner "Decodierung" (Hermeneutik). Dies soll vor allem anhand von Midraschim zum Hohelied geschehen, weil diese häufig (mit den Mitteln des Midrasch) die Frage nach seinen hermeneutischen Prinzipien selber aufgeworfen haben.
Weiterhin soll die Frage beantwortet werden, warum nach der Verbreitung des Islam etwa ab dem 9. Jahrhundert im Osten der Schriftkommentar (Perush) Eingang in die jüdischen Traditionen gefunden hat. Ganz anders als der Midrasch fragt dieser nun nach der wörtlichen Bedeutung der Schrift (Peshat) - eine Frage, die im Falle des Hohelieds gewagte Antworten hervorgebracht hat.
Wenig später verschob sich - erneut aus historischen Gründen - der Fokus der jüdischen schriftauslegenden Literatur: nach Meinung der Exegeten verkörpern insbesondere die Bücher Kohelet, Sprüche und Hohelied eine - oft aus der Philosophie oder Kabbala bezogene - umfassende Idee (Hibur). Die Anwendung dieser Interpretationsideen wurde häufig in ausführlichen Einleitungen begründet, wofür es erneut unter den Hohelied-Kommentaren zahlreiche Beispiele gibt.

Literatur:
Daniel Boyarin, Intertextuality and the Reading of Midrash, Indiana 1994
Gerhard Langer, Midrasch, Mohr Siebeck 2016
Hann Liss, Jüdischer Bibelauslegung, Tübingen 2019.
Michael Fischbane, The Midrashic Imagination. Jewish Exegesis, Thought, and History, New York 1993