Es gibt Forscher:innen, die in Frage stellen, dass es überhaupt eine jüdische Ethik gibt. Dennoch besteht eine unübersehbare Anzahl von Werken in den jüdischen Traditionen, die sich mit der moralischen oder intellektuellen Perfektion des Menschen beschäftigt. So stellt sich stets die Frage, welchen Ort die jüdischen Ethiken in den jüdischen Traditionen einnehmen, d.h. es stellt sich die Frage nach ihrem Verhältnis zum jüdischen Religionsgesetz, der Halacha.
Die Beantwortung dieser Frage soll im Seminar die Leitfrage bei der Auswahl von Textpassagen bilden, die folgende vier Bereiche ethischer Literaturen ab 1100 in Ost und West abdecken sollen:
- die rabbinische (Jona Gerondi, Abraham b. Hiyya, Joseph Hayyim),
- die ashkenazische (Sefer Hasidim, Nachman von Brazlaw, Israel Salanter),
- die philosophische (Saadia Gaon, Bachia ibn Paquda, Moses ben Maimon, Itzhak Dayyan, Naphtali Herz-Wessely) und
- die kabbalistische (Moshe Cordovero, Zevi Hirsch Koidanover, Moses Hayyim Luzzatto).
Neben der Unterscheidung unterschiedlicher Modelle der Begründung jüdischer Ethik wird es Ziel des Seminars sein, die moderne These, wonach die ethischen Literaturen im Judentum stets die öffentliche Vermittlerin zwischen Tradition und Innovation gewesen seien, zu prüfen.
Literatur:
Menachem Kellner, “Well, can there be a Jewish Ethics or Not?”, Journal of Jewish Thought and Philosophy 5,2 (1996), 237-41.
Elliot N. Dorff, Jonathan K. Crane (ed.s), The Oxford Handbook of Jewish Ethics and Morality, Oxford: Oxford University Press 2013.
Elliot N. Dorff/Louis E. Newmann, Contemporary Jewish Ethics and Morality. A Reader (1995)
Marvin Fox, “The Philosophical Foundations of Jewish Ethics: Some Initial Reflections”, in: Marvin Fox. Collected Essays on Philosophy and on Judaism, ed. Jacob Neusner (2001)
