Ist die Entstehung der biblischen Bücher einem sich allmählich auskristallisierenden Konglomerat (J. Wellhausen), einem unbeaufsichtigten Wald (B. Duhm), einem rollenden Schneeball (C. Levin) oder einer in Jahrhunderten entstandenen Kathedrale (U. Becker) zu vergleichen? In all diesen Bildern wird ein allmähliches literarisches "Wachstum" vorausgesetzt, das irgendwann mehr oder weniger zufällig zum "Erliegen" kam. Dabei wird oft vergessen, dass ein einmal geschriebenes Buch in der Regel nicht "wachsen" konnte, sondern dafür zunächst abgeschrieben werden musste. Im Abschreibeprozess wirken einander entgegengesetzte Kräfte. Welche Rolle dabei einerseits Hinzufügungen, Kürzungen, Textänderungen, Umstellungen, Aktualisierungen und Harmonisierungen gespielt haben, und welche Mechanismen es andererseits gab, den Text möglichst genau zu sichern, soll an konkreten textgeschichtlichen Beispielen von innerbiblischen Parallelüberlieferungen über Qumran bis hin zu den mittelalterlichen masoretischen Musterhandschriften untersucht werden. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf den metatextlichen Elementen des Masoretischen Textes liegen: Exemplarisch werden die Informationen, die das System von Ketib/Qere, Masora parva, Masora magna und vor allem der umfangreichen Masora finalis des Codex L (Petersburg ЕВР B19a) bietet (und die in den auf dem Codex L beruhenden wissenschaftlichen Ausgaben des Bibeltextes nur auszugsweise oder gar nicht berücksichtigt werden), zum Thema gemacht werden.